Jamie Goode: “Die serbische Weingeschichte muss die Welt erst hören”
Der Weinkritiker und Publizist Jamie Goode ist Kolumnist der Londoner The Sunday Express, Autor mehrerer Bestseller über Wein (etwa die brandneue Ausgabe von Wine Science) und sein Blog wineanorak.com ist eines der einflussreichsten im englischsprachigen Raum. Seinem Urteil folgen Millionen von Weinliebhabern auf der ganzen Welt. Im November 2013 war er als Juror eingeladen, um an zwei Tagen im Auftrag der Weinzeitschrift vino.rs die besten Weine aus Serbien zu küren.
Vino.rs: Welche Eindrücke werden Sie aus Serbien mitnehmen?
Jamie Goode: Mein erster Eindruck war, dass alle Weine von hoher Qualität sind. Genauer gesagt, ich erwartete, dass es einen großen Unterschied zwischen den richtig guten und den restlichen Weinen geben würde, aber überraschenderweise waren alle auf einem ähnlichen Niveau. Nur wenige Weine vielen deutlich ab. Für die Jury ist das schön, weil wir ausgezeichnete Weine geniessen konnten, andererseits war es schwer zu entscheiden, welche nun die Besten waren.
Nach dem ersten Tag haben sich aufgrund der vergebenen Punktezahl aber dennoch einige Favouriten herauskristallisiert. Was war Ihr Gesamteindruck bezüglich der Weine am Entscheidungstag?
Die Aufregung, die dreißig besten Weine Serbiens verkosten zu können, war groß. Es war sofort klar, dass dies sehr hochwertige Weine sind und es war vor allem interessant, sie alle direkt vergleichen zu können. Insbesondere unter den Rotweinen hatten wir vier absolute Topweine und es war ziemlich schwierig nur einen Sieger auszuwählen. Ehrlich gesagt, mein Favorit war der Prokupac 2011 von Ivanovic, eine indigene Sorte und ein wirklich großer Wein. Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Siegerwein Kremen Kamen 2011 von Matalj ein fantastischer Wein ist, so wie alle vier Rotweine, die bis zum bitteren Ende den Grand Prix gekämpft haben (neben den beiden genannten waren dies noch derErgo 2011 von Temet und der Cabernet Franc 2011 Radovanovic). Aber persönlich wollte ich sehr, dass der Prokupac gewinnt, weil er die Richtung vorgibt, in welche Serbien in Bezug auf Wein gehen muss.
“Persönlich wollte ich sehr, dass der Prokupac gewinnt, weil er die Richtung vorgibt, in welche Serbien in Bezug auf Wein gehen muss.“
Einige Mitglieder der Jury waren nicht besonders begeistert von serbischen Weißweinen?
Die Weißweine sind auch gut, vor allem der Triumph Barrique 2012 von Aleksandrović, der Terasa Chardonnay 2012 von Matalj und der Sila 2012 von Milanović. Besonders beeindruckt hat mich eine Spätlese, der Gewürztraminer2012 von Quet. Ein großartiger, wunderschöner Wein! Die ganze Geschichte des serbischen Weins ist ermutigend. Die meisten Weine waren gut, technologisch korrekt und die Winzer haben Vertrauen gewonnen. Jetzt müssen sie nur an einer lokalen Personalisierung dieser Weine arbeiten. Genauer gesagt, sollten diese Weine nicht mit den Weinen von benachbarten oder anderen Regionen verglichen werden, sondern die typischen Charakteristiken für Serbischen Wein in den Vordergrund stellen.
Welche Botschaft haben Sie für die regionalen Weingüter?
Vor allem, auf den ursprünglichen Charakter der Weine zu beharren, damit diese ein Spiegelbild ihres Teroirs sein können. Qualitätsweine unterscheiden sich genau nach dem Talent der Winzer, verschiedene Weine im Einklang mit ihren eigenen Traditionen aus gleichen Trauben machen zu können, aber auch, in diesem Prozess lokale Sorten zu erkennen und optimal zu nutzen. Dies ist der Schlüssel um eine Region oder ein Land auf einer Weinlandkarte zu erkennen.
In diesem Sinne, was ist das Potenzial des Balkans als Weinregion?
Serbien und die ganze Region des Balkans treten mit großen Schritten auf die Weltbühne. Der Moment ist gut, weil der Markt immer neue Herausforderungen braucht und Weine aus dem Balkan einen großen Sprung in der Qualität gemacht haben, nicht nur in Serbien, sondern auch in Bulgarien, Mazedonien und Kroatien.
Ich denke, der Balkan sollte eine gemeinsame Marke schaffen, so etwas wie Balkanwein. Länder wie Portugal haben das geschafft und verkaufen viel Wein. Jetzt richtet sich der Fokus mehr auf die „alten Weine“, aus dem Libanon, der Türkei, Georgien. Dieser Trend könnte eine besondere Chance für Serbien sein.
“Heute habe ich Dutzende von außergewöhnlichen Weinen probiert, meisterhaft gemacht und mit einem bestimmten Charakter und unter ihnen sind einige Rotweine, die sicherlich in einer Linie mit den besten Weinen der Welt stehen.“
Was sind die Chancen, dass sich die serbischen Weine international behaupten können? Gibt es große Unterschiede in der Qualität?
Vielleicht nicht so groß, wie sie denken, aber serbische Weine sind weltweit nicht im Fokus. Dahingehend muss man jetzt arbeiten, parallel mit der weiteren Steigerung der Weinqualität. Französische Weine sind für manche vielleicht der Begriff für Qualität, aber Frankreich ist auch der Ort mit einer enormen Anzahl von schlechten Weinen. Vor 5 bis 6 Jahren gab es wahrscheinlich nicht mehr als ein Dutzend guter Weine unter den 150 besten serbischen Weinen. Heute habe ich Dutzende von außergewöhnlichen Weinen probiert, meisterhaft gemacht und mit einem bestimmten Charakter und unter ihnen sind einige Rotweine, die sicherlich in einer Linie mit den besten Weinen der Welt stehen.
Dankeschön! Das Interview wurde von Nenad Basarić geführt und ist im Original auf Serbisch in der Weinzeitschrift vino.rs erschienen. Wir bedanken uns für die Erlaubnis zum Nachdruck. Die hier erschienene Fassung wurde von Brana Bošnjak übersetzt und gekürzt.
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